Felicitas Jundt Art

Im Februar 2011 durfte ich einiges Wissen im gestalterischen Schaffen mit den Kindern  der UMANG Schule in Ahmedabad (Indien) teilen.
Circa 95 Kinder zwischen drei und achtzehn Jahren, welche alle taub, oder sehr schwerhörig sind, haben das Glück in dieser Schule unterrichtet zu werden.

23 Lehrerinnen und Lehrern zeigte ich in einem Workshop verschiedene Techniken im Malen. Das Experimentieren mit Farben, Formen, Licht und Schatten, löste in ihnen Begeisterung und Verspieltheit aus.
Wir formten  Figuren aus Draht, zerrissen Tücher in Stoffbänder, damit wir die Figuren eingipsen konnten.
Immer wieder von Neuem erstaunt, wie endlos viele Ausdrucksmöglichkeiten wir mit einfachsten Mitteln hatten, entdeckten all die Lehrerinnen und Lehrer ihre eigene Fantasie.
Während diesen Tagen liessen sie sich mit Inspiration füllen, um dann später mit den Kindern im Unterricht die schöpferische Tätigkeit anzuwenden.
Durch die Behinderung der Kinder ist die verbale Kommunikation erschwert. Deshalb ist der kreative Weg sich mitteilen zu können, enorm wichtig und für die persönliche Entwicklung von unschätzbarem Wert. 

In einer Klasse von über 20 Kindern kleisterten wir zwei Gesichter. Ein Gesicht zeigte Traurigkeit oder ein negatives Gefühl. Das andere Gesicht  wurde lachend und fröhlich dargestellt. 

In einer anderen Klasse sammelten wir lauter alte Karton- und Papierresten. Diese bemalten wir in unterschiedlichen Farbtönen, und schnitten Fantasieformen aus. Jedes Kind kombinierte dann die Teilchen zu einer abstrakten, ganz individuellen Collage.

Die ganze Schule half an einem Tag Zeitungen in winzigste Stückchen zu zerreissen. Diese weichten wir in grossen Becken gefüllt mit Wasser übers Wochenende ein. Die Zutaten um eine gute Pulpe hinzukriegen waren leider von sehr schlechter Qualität. Trotzdem gelang den ältesten Kindern eine Gruppenarbeit von einem riesigen, wunderschönen und farbenfrohen Ganesh mit kleinen Spiegelchen und etlichen Symbolen im Bauch.

Aus altem Sofastoff schnitt ich mit einer Lehrerin Dreiecke und Vierecke. Eine Klasse malte Muster und Symbole auf die Stoffe welche an eine Schnur genäht zu einer Fähnchengirlande, bei ihnen ” Toran” genannt, aufgehängt wurde.

Mit den jüngsten Kindern modellierte ich aus Ton kleine Gärtchen. Vertieft, und mit rührend viel Hingabe formten die Kinder winzige Tiere, Blumen und Wesen in diese Miniaturwelt. Diese wurde noch mit Steinchen und Zweigen aus dem Schulhof geschmückt und schlussendlich angemalt.

Die letzte Stunde eines Schultages liessen wir mit Tanzen, Rhythmen klatschen sowie Entspannungsübungen aus-klingen. Erstaunt und überrascht erlebte ich diese Kinder ausgelassen und voller Freude mit überschwänglicher Energie tanzen. Obschon sie ja kaum, wenn überhaupt die Musik hören konnten! Wie man sich nach einer Mahlzeit auf ein Dessert freut, war das Tanzen für die Kinder ein Fest vor dem nach Hause gehen….

Situationen und Gelegenheiten schaffen, um sich auf un-terschiedliche Art und Weise ausdrücken und mitteilen zu können, ist für diese Kinder sehr heilend,  erfrischend und befreiend. Es wirkt sich auf ihre Lebensfreude aus, lässt ihr Selbstwertgefühl wachsen und begünstigt dazu die intellektuelle Aufnahmefähigkeit. Es liegt in der Natur eines jeden Kindes neugierig zu sein.
Der innere Ideenreichtum der Kinder sollte  von Kommentaren Erwachsener verschont bleiben, selbst wenn sie gut gemeint sind. Diese würden den Kindern die Verbindung zu ihrer Innenwelt stören und manipulieren. Durch die Isoliertheit von der Aussenwelt wegen ihrer Schwerhörigkeit und Taubheit  sind der Gefühls- und Erlebnis-Austausch im künstlerischen Bereich Brücken einer nonverbalen Kommunikation zum Umfeld, ergänzend zur Gebärdensprache, und fördern die Sensibilität sowie die Selbstwahrnehmung.Ich wünsche  für alle Kinder auf der ganzen Welt Liebe-, Respekt-, Schutz-, Vertrauen und Mitgefühl. 

Ich wünsche für alle Kinder ein friedvolles Umfeld, damit sie in Freiheit beim Entdecken und Spielen ihre Fantasie entfalten und glücklich sein können.